Yael Ronen

Werk

Rewitching Europe
,

Theaterstück, 2019

Yael Ronen begibt sich mit dem Ensemble für ihr neues Projekt auf eine historische und künstlerische Recherche zur Geschichte der »Hexen« und ihrer Verfolgung in Europa.
Das Phänomen der Hexenjagd erreichte in Deutschland in der frühen Neuzeit zwischen Reformation und den folgenden Religionskriegen seinen Höhepunkt und fand erst um 1800 ein Ende. Mehr als die Hälfte aller weiblichen Opfer weltweit wurden in deutschen Städten und Dörfern gemartert und verbrannt. Zehntausende Frauen starben. Die Bibelstelle »Eine Hexe sollst Du nicht am Leben lassen« (2. Buch Mose, 22, 17) hatte sich in ein Instrument zur allgemeinen Verfolgung und Disziplinierung von Frauen verwandelt.
In dieser Zeit des beginnenden Kapitalismus entsteht das moderne Patriarchat, das sich letzthin als erstaunlich überlebensfähig erwiesen hat. Begründet sich in der Figur der Hexe ein machtvolles Bild zur fortdauernden Abwertung des Weiblichen in der religiösen aber auch in der ökonomischen Welt in den folgenden Jahrhunderten?
Ronen und Ensemble suchen hinter dem historisch überlieferten Bild das Potential für eine widerständige, ja utopische Praxis zur Überwindung des Patriarchats und seiner Bilder von Frauen und Männern. Sie erforscht mit den Mitteln des Theaters, wie sich diese Geschichte in die Körper von Frauen eingeschrieben und wie sich diese Körper wieder aus einer Erfahrung der Unterdrückung befreien können. Welches Wissen, welche Praxis ging verloren bei der Verfolgung von »Hexen«, die vielleicht Heilerinnen und Ratgeberinnen insbesondere für die Armen waren? Welche performativen Rituale haben im zeitgenössischen Schamanismus jenseits des männlichen Monotheismus überlebt und können Inspiration sein für eine Kunst, die davon träumt alle Körper zu befreien – weibliche und männliche und alle dazwischen? Und wie kann Theater in seinen Ritualen und Geschichten davon handeln und erzählen?
Das Projekt macht sich auf den Weg und arbeitet am zeitnahen Untergang des Patriarchats. The Witches are coming back!

Yes but No
,

Theaterstück, 2019

Yael Ronen und das unerschrockene Ensemble nehmen die Nachwirkungen von #MeToo in ihrer neuen Stückentwicklung Yes but No persönlich: Sie begegnen sich selbst als Opfer und als Täter, sprechen über Übergriffe, über sexuellen Missbrauch, erforschen Begehren und Grenzen, gehen Ängsten und Mindfucks auf den Grund und suchen nach aufrichtiger Kommunikation in Schamregionen.

Das Wichtigste ist, dass man ehrlich ist, oder? Wir können doch offen über alles sprechen? Oder nicht? Aber man sollte genau wissen, wo die Grenze zwischen Ehrlichkeit und Belästigung ist, was angemessen ist, was man sagen darf und was nicht. Vor allem sollte man wissen, wie man das alles herausfindet.

Wenn Fantasie und Realität, Ausnahmezustand und Alltag, Begehren und Angst vor dem Verletzen zusammentreffen, kommt die Sprache an ihre Grenzen und es wird schwer, »darüber zu reden«. Und wenn gesprochen wird, dann oft als Zuruf auf der Straße, als Bemerkung auf der Arbeit, stets den Linien des Patriarchats von oben nach unten folgend. Aber wie verändert sich der Umgang mit Scham, Angst und Lust offline in Zeiten der Online-Revolution von #MeToo?

Und obwohl das Theater die Konflikte liebt und zur Analyse von gesellschaftlichen Strukturen einlädt, riskiert das Ensemble in diesem Stück etwas Ungewöhnliches: Visionen. Sie brechen auf, um neue Formen von zwischenmenschlicher Kooperation zu erproben – auch mit dem Publikum. Und wo die Sprache versagt, beginnt die Musik mit eigens komponierten Songs des israelischen Superstars und Experten für Beziehungsfragen Shlomi Shaban.

Triggerwarnung: Dieses Stück thematisiert u.a. Missbrauch und sexualisierte Gewalt.

Roma Armee
,

Theaterstück, 2017

»Die Gemeinschaft der europäischen Völker zerbrach, als – und weil – sie den Ausschluss und die Verfolgung seines schwächsten Mitglieds zuließ.« Hannah Arendt

In einer Gegenwart, in der Europa droht in Neofaschismen abzudriften, beansprucht eine Gruppe von Schauspieler*innen eine Roma Armee zu Selbstverteidigungszwecken. Eine schnelle Eingreiftruppe zum Kampf gegen strukturelle Diskriminierung, Rassismus und Antiziganismus, aber auch als Emanzipation aus einer internalisierten Opferrolle. Die Schauspieler*innen sind Romnija, Rom und Romani Traveller aus Österreich, Serbien, Deutschland, dem Kosovo, Rumänien, England und Schweden, sie sind auch israelischdeutsch- türkisch-Berliner Gadjé – sprich die Roma Armee ist übernational, divers, feministisch, queer. Initiiert von den Schwestern Simonida und Sandra Selimović tritt sie als kollektive Selbstermächtigung im Gorki in künstlerische Aktion mit Hausregisseurin Yael Ronen: Im gemeinsamen Rechercheprozess werden persönlich gefasste Erfahrungen, historische Kontaminationen und aktuelle Vorfälle erkundet, woraus ein Theaterstück entwickelt wird. Zusammen mit den bildenden Künstler*innen Delaine und Damian Le Bas aus England entwerfen sie eine Vision für ein Safe European Home in Gypsyland Europa, wie die Le Bas’ es nennen.

Common Ground
,

Theaterstück, 2014

Jugoslawien – ein Land, das es nicht mehr gibt. Zugrunde gegangen in den Bruderkriegen der 90er Jahre. Zum zweiten Mal seit 1914 stand Sarajevo im Zentrum eines Konflikts, der scheinbar bis auf den heutigen Tag nicht enden will. Viele Menschen machten sich von dort aus auf den Weg nach Berlin, auf der Flucht, auf der Suche nach Arbeit oder einem anderen Leben. Wie erleben diese Berliner die Konflikte heute? Die Kinder der Opfer von Kriegsverbrechen leben hier neben den Kindern der Täter. Wie treffen sie aufeinander?
Common Ground heißt übersetzt Gemeinsamkeit, gemeinsamer Boden oder auch Bezugserde. Yael Ronen bringt in ihrem neuen Projekt Schauspieler*innen zusammen, die aus Belgrad oder Sarajevo, aus Novi Sad oder Prijedor nach Berlin gekommen sind. Was ist ihr Common Ground? Das Theaterstück wird kollektiv erarbeitet, basierend auf einer gemeinsamen Reise nach Bosnien, auf Begegnungen mit Familienmitgliedern der Protagonisten und mit Experten. Das Theater wird dabei zum sicheren Raum, in dem über Begriffe wie Schuld und Sühne, Vergebung und Vergessen gestritten wird, in dem Klischees, Vorurteile und gegensätzliche Narrative lustvoll aufeinanderprallen.

Eingeladen zum Theatertreffen 2015 und Gewinner des Publikumspreises »Stücke 2015« Mülheimer Theatertage!

Common Ground wird durch den Hauptstadtkulturfonds Berlin gefördert.

Photo: Ute Langkafel

Der Russe ist einer, der Birken liebt
,

Theaterstück, 2013

Mascha ist Deutsche, Jüdin, Aserbaidschanerin, wenn nötig auch Russin oder Türkin, sie beherrscht fünf Sprachen fließend und spricht ein paar weitere, so »wie die Ballermann-Touristen deutsch«. Maschas Freund Elias kämpft mit dem Geheimnis, das Mascha aus ihrer Kindheit in Baku macht. Er akzeptiert nicht, dass sie nicht darüber sprechen will. Mascha aber hasst Diskussionen über ihren »Migrationshintergrund« und Begrifflichkeiten wie »postmigrantisch«, insbesondere wenn ihr Freund aus der ostdeutschen Provinz sie benutzt. Es gibt noch Sami, der auch ohne Worte versteht, aber der ist auf einem anderen Kontinent. Als Mascha Elias plötzlich verliert, bricht sie aus der Welt. Sie reist Hals über Kopf nach Israel und sucht in der Wüste nach einem neuen Leben, einer neuen Liebe, einem neuen Anfang.

Der Russe ist einer, der die Birken liebt - von Olga Grjasnowa. In einer Bühnenfassung von Yael Ronen. Aufführungsrechte beim Rowohlt Verlag, Reinbeck bei Hamburg. © Carl Hanser Verlag. München 2012.

Premiere: 16. November 2013

Yael Ronen wurde 1976 in Jerusalem geboren, lebt in Berlin. Neben dem Gorki, wo sie Hausregisseurin ist, arbeitet sie u.a. an den Kammerspielen München und dem Volkstheater Wien. Ihre Berliner Inszenierungen Common Ground und The Situation wurden zum Berliner Theatertreffen eingeladen (2015 und 2016). Teilnahme am 1., 2. und 3. Berliner Herbstsalon (2013, 2015, 2017).